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Beziehungscoach erklärt: Deshalb liegen die Gründe fürs Fremdgehen oft in der Kindheit

Beziehungscoach erklärt: Deshalb liegen die Gründe fürs Fremdgehen oft in der Kindheit

Zwei Rotweingläser Ring und Geldbeutel im Vordergrund im Hintergrund küsst Mann eine Frau unscharf

Betrogen zu werden ist wohl das Schlimmste, das einem in einer Beziehung widerfahren kann. Gefühle wie Wut, Trauer, Unsicherheit und Enttäuschung geben sich die Hand, gepaart mit der Frage: „Warum?“ 

Beziehungscoach und Mental Trainer Florian Pohl erklärt, warum Menschen betrügen.

Die Gründe für Seitensprünge sind vielfältig und oft tief verwurzelt

Mit seiner Website „Love Repair“ hat Florian Pohl eine Anlaufstelle für all diejenigen geschaffen, die ihre Ex-Partner*innen zurückgewinnen wollen. Auch – oder obwohl – sie zum Beispiel betrogen worden sind oder aber selbst betrogen haben. Denn oft kommt nach dem Fehltritt die Reue.

Beziehungscoach Florian Pohl
Beziehungscoach Florian Pohl sieht Ursachen für Seitensprünge oft in Kindheitserlebnissen verwurzelt. Foto: Love Repair

Aber wie konnte es überhaupt dazu kommen, dem eigenen Partner oder der Partnerin so einen Vertrauensbruch in einer vermeintlich glücklichen Beziehung zuzumuten?

Der Schlüssel dafür liegt häufig in der Kindheit. Auch, wenn es zunächst nach Ausrede klingt, schlechtes Verhalten auf die Kindheit zu schieben. Tatsächlich sind die ersten Jahre aber extrem prägend. So entstehen schon frühzeitig Bindungs- und Verlustängste, die Menschen bis ins Erwachsenenalter begleiten.

Fremdgehen durch unsichere Bindungen in der Kindheit

Wenn Kinder ohne ein sicheres Umfeld, Geborgenheit oder feste Bezugspersonen aufwachsen, entstehen Unsicherheiten und Vertrauensprobleme. Die gesunde Sozialentwicklung wird gestört, mangelndes Selbstvertrauen, Ich-Bezogenheit, Kommunikationsunfähigkeit und Flucht vor Problemen sind nur einige Folgen.

Kinder, die beispielsweise im Heim aufwachsen, ein schlechtes Verhältnis zu den Eltern haben oder als Kind schon Traumata erlebten, haben nicht gelernt, Vertrauen und langfristige Bindungen aufzubauen. Oder sie haben das Gefühl, etwas Gutes nicht zu verdienen. Das spiegelt sich im Erwachsenenalter häufig in Selbstsabotage wie Seitensprüngen oder Affären wider.

Erlerntes Fehlverhalten und Betrug durch Nachahmen

Kinder übernehmen oft das erlernte Verhalten ihrer Eltern, die für das Kind eine entscheidende Vorbildfunktion einnehmen. Wenn dieses Verhalten im Erwachsenenalter nicht reflektiert wird, kann es passieren, dass es unbewusst übernommen wird.

Zeigen Eltern ihren Kindern beispielsweise wenig Zuneigung und Liebe, fällt es vielen Erwachsenen in Beziehungen ebenso schwer, ihre Gefühle zu kommunizieren und zu zeigen. Ist ein Elternteil fremdgegangen, so könnte auch das maßgeblich dazu beitragen, dass sich dieses Verhalten beim nun erwachsenen Kind wiederholt.

Die ewige Suche nach Bestätigung durch Seitensprünge

Wenn elterliche Liebe an Bedingungen geknüpft ist und das Kind nur Aufmerksamkeit bekommt, wenn es etwas gut macht oder geleistet hat, kann sich das ebenso im Beziehungsleben widerspiegeln. Denn das erlernte Verhalten führt zu einem gesteigerten Bedürfnis nach Bestätigung.

Wenn der Partner oder die Partnerin diesem Bedürfnis nicht nachkommen kann, suchen Betroffene die Bestätigung oft im Außen. Zum Beispiel in Affären oder One-Night-Stands. Nicht selten ist das auch die Ursache bei Dauerfremdgeher*innen und Wiederholungstäter*innen.

Geringes Selbstwertgefühl als Grund für Betrug in der Beziehung

Ein Knackpunkt, der an die Suche nach Bestätigung anknüpft, ist laut Beziehungscoach Pohl ein mangelndes Selbstwertgefühl – der Grund für die meisten Beziehungsprobleme. Wenig Selbstwert führt nicht nur zu Eifersucht, emotionaler Abhängigkeit oder sogar toxischen Beziehungen. Sondern auch zur Sucht nach Anerkennung und Bestätigung durch andere Menschen.

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Eltern, die ihren Kindern immer das Gefühl gegeben haben, nicht gut genug zu sein, tragen dazu einen großen Teil bei. Denn häufig wird dieses Mangelgefühl auch in Beziehungen getragen.

Traumatische Erfahrungen in der Kindheit können zu Seitensprung führen

Menschen, die in der Kindheit Schlimmes durchgemacht haben, sind laut Florian Pohl eher anfällig dafür, fremdzugehen. Missbrauch oder Vernachlässigung können zum Beispiel zu tief verwurzelten Bindungsängsten führen. Betroffene haben große Probleme, sich wirklich auf andere einzulassen.

Dabei entsteht ein ungesunder Schutzmechanismus: „Ich verletze andere, bevor ich selbst verletzt werde.“ Zum Beispiel, indem Partner*innen betrogen werden.

Kindheit aufarbeiten, um erfüllte Beziehungen zu führen

Letztlich kann man nicht alles auf die Kindheit schieben, denn nicht alle Fremdgeher*innen hatten es schwer. Der Akt des Betrugs bleibt eine bewusste Entscheidung, wenn auch unterbewusst mitgesteuert. „Nur weil in der Kindheit etwas Bestimmtes passiert ist, heißt das noch lange nicht, dass die Betroffenen zwingend fremdgehen werden“, betont Pohl.

Dennoch sei es wichtig, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen und das eigene Verhalten zu reflektieren. Nur, wenn die Ursachen fürs Fremdgehen aufgearbeitet, die eigenen Bedürfnisse anerkannt und kommuniziert werden, kann auch das Vertrauen in eine Beziehung fließen. Und möglicherweise ist es dann auch möglich, den Partner oder die Partnerin zurückzugewinnen.

„Wer die Gründe für sein eigenes Verhalten kennt, kann diese gezielt aufarbeiten, um die Beziehung doch noch zu retten – solange beide Partner willens sind, daran zu arbeiten“, ermutigt der Beziehungscoach.


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