Franziska hat mit der Agentur Wortlust bereits etliche Projekte im…
Sich gegenseitig tief in die Augen schauen, Ekstase erleben und dann gemeinsam den besten Orgasmus der Welt genießen: Das ist die verklärte Vorstellung vieler Paare von perfektem Sex.
Bestimmt hattest du auch schon das Bedürfnis, mit deinem Schatz zusammen einen Höhepunkt zu erleben. Aber geht das überhaupt und warum wünschen wir uns das manchmal so sehr, dass Sex schon fast zum Leistungssport wird? Wir gehen der Sache auf den Grund.
Der Mythos vom gemeinsamen Orgasmus
Gerade in der Anfangsphase der Verliebtheit hast du noch die rosarote Brille auf. Die Sehnsucht nach romantischem Gleichklang, der Wunsch nach Verschmelzung und einem gemeinsamen Höhepunkt ist groß. Oder aber ganz anders – du bist es aus Pornos gewöhnt, dass die Darsteller*innen gleichzeitig einen Orgasmus erleben und glaubst, das muss so sein.
Dazu kommen ausgeschmückte Erzählungen und Prahlereien von Bekannten oder verkitschte Hollywood-Filme, in denen man sich gegen die Wand drückt und dann in den unbequemsten Posen sofort zum Orgasmus kommt.
Diese Stereotype schleichen sich ganz subtil in unser Denken ein und machen es uns manchmal schwer, den eigenen Gefühlen und Bedürfnissen noch zu vertrauen. So lesen wir einen Ratgeber nach dem anderen und versuchen, einem Bild nahe zu kommen, das uns nicht entspricht.
Dadurch hält es sich hartnäckig, das alte Klischee, dass der Sex nur dann wirklich gut sein kann, wenn man einen gemeinsamen Orgasmus erlebt. Aber warum? Darauf hat die Münchner Paar‐und Sexualtherapeutin Beatrice Wagner eine plausible Antwort: „Wenn Partner gleichzeitig kommen, haben sie für einen Moment die Illusion, die Grenze zwischen ihren Körpern sei aufgehoben. Das schafft Nähe und verbindet.“
Heißt das also im Umkehrschluss, wenn man es nicht gemeinsam zum Höhepunkt schafft, fehlt die Verbindung zueinander? Nein! Das ist totaler Quatsch. Frag dich selbst einmal, warum es dir überhaupt so wichtig ist, mit deinem Partner oder deiner Partnerin gemeinsam zum Orgasmus zu kommen. Was erhoffst du dir davon?
Die Fokussierung auf den Orgasmus ist generell der falsche Ansatz für erfüllenden Sex. Denn es geht nicht darum, den Penis in die Vagina zu schieben und sich dann zum „Ziel“ zu arbeiten. Es geht vielmehr um Nähe, Zärtlichkeit, Berührung – und die kommt beim „klassischen“ Sex oft zu kurz.
Sex ist mehr als ein Orgasmus
„Nur etwa ein Drittel aller Frauen können überhaupt einen vaginalen Orgasmus haben. Aber das Gerücht, Frauen könnten allein durch die Penetration des Penis kommen, hält sich bis heute“, sagt Beatrice Wagner. Wie frustrierend muss es also für beide Seiten sein, zu penetrieren oder die Penetration „auszuhalten“, nur in Erwartung des Orgasmus?
Das ist übrigens einer der Gründe, warum Frauen Höhepunkte vorspielen – damit das Ganze endlich ein Ende hat und / oder um den Partner nicht zu enttäuschen, der sich zuvor so viel Mühe gegeben hat.
Für viele Männer ist der Penis nämlich noch immer das „Hauptwerkzeug“, um eine Frau (vermeintlich) zu befriedigen. Und wenn „er“ nicht will, wird eben abgebrochen. Zu früh gekommen? Naja, dann wars das eben. Doch genau diese Fokussierung auf den Penis ist eine falsch verstandene Sexualität.
Biologisch gesehen dient der Orgasmus eigentlich der Fortpflanzung. Männer ejakulieren und streuen damit ihren Samen in die Welt. Bei Frauen gibt es die sogenannte „Upsuck“-Hypothese, die besagt, dass die durch den Orgasmus ausgelösten Kontraktionen der Gebärmutter das Sperma aufsaugen und nach oben transportieren, sodass durch einen weiblichen Orgasmus die Fruchtbarkeit steigt.
Allerdings ist das nicht bis ins Detail geklärt, da der weibliche Orgasmus noch ein weitestgehend ungepflügter Acker ist und auf diesem Gebiet weiterhin geforscht wird.
Der Orgasmus schüttet aber auch Dopamin und andere Glückshormone aus, die zu einem Belohnungseffekt führen und tatsächlich die partnerschaftliche Bindung stärken können. Doch dafür muss er nicht synchron stattfinden.
Tipps für gemeinsames Kommen
Ein gemeinsamer Orgasmus setzt viel Abstimmung und Vertrautheit beider Partner*innen voraus. Er kann sehr lustvoll sein, ist aber ein Geschenk, das wir nicht immer entgegennehmen können. Gleichzeitig zu kommen, ist nichts Heiliges. Es ist schön, ja, aber nicht die Essenz sexueller Zufriedenheit. Übrigens haben nur drei Prozent aller Paare ab und an zusammen einen Höhepunkt.
Und das klappt nur durch viel Übung – und ist am Ende doch abhängig von Disziplin oder Zufall. Ekstase kommt durch Freiheit, die durch Perfektion gehemmt wird. Und genau die ist es, die den gemeinsamen Orgasmus verhindert.
Spontanität, Neugier, Lust an sich selbst und dem erotischen Spiel mit dem Gegenüber sind die Zutaten, die es möglich machen, gemeinsam zu kommen. Aber auch Übung, Gelassenheit und Humor beim Scheitern helfen ungemein. Verbissenheit bringt euch nicht ans Ziel, sondern das Ziel ist der Weg: Nämlich das gemeinsame Erleben, der gemeinsame Spaß.
Ist es nicht mindestens genauso schön, den Partner oder die Partnerin erst zu befriedigen, bevor man selbst zum Orgasmus kommt? Dieser Meinung ist auch die Sexualtherapeutin: „Deshalb rate ich meinen Klienten, die Augen offen zu lassen und den Partner anzuschauen, wenn sie kommen. Auf diese Weise lassen sie ihn daran teilhaben. Viele unterschätzen, wie ansteckend Lust wirkt.“
Auch selbst erst zu kommen und danach dafür zu sorgen, dass der Liebste oder die Liebste das gleiche erleben kann, ist vollkommen in Ordnung. Sex ist erst dann gut, wenn man alle Sinne nutzt und den ganzen Körper einbezieht. Hände, Finger, Lippen, Brüste – es gibt so viel mehr zu erleben als schlichte Penetration!
Setzt euch nicht unter Druck, sondern genießt das gemeinsame Zusammensein. Kommuniziert miteinander, sagt und zeigt euch, was euch gefällt. Umso mehr Wissen ihr über euch und euren Körper habt, desto gezielter bekommt ihr das, was ihr begehrt. Wenn man sich selbst zu sehr auf den Höhepunkt als Ziel konzentriert, nimmt man den Partner oder die Partnerin nicht mehr so aufmerksam wahr. Dann sieht man die vielen kleinen Details nicht, die sich abspielen, die Achtsamkeit leidet in diesem Moment.
Wenn der gleichzeitige Orgasmus nicht klappt:
- dann macht euch keine Vorwürfe oder schiebt euch die Schuld zu, gemeinsames Kommen braucht gemeinsames Handeln.
- dann seid ihr zu unterschiedlich unterwegs: Tempo, Vorlieben, Ausdauer, Stellungen, Geduld und Einfühlungsvermögen spielen eine Rolle.
- dann kann es an äußeren Umständen liegen: Stress, Beziehungsprobleme, Zyklusstand, körperliche und seelische Probleme, Arbeit und Alltag.
- dann sucht gemeinsam nach anderen erotischen Raffinessen, die euch begeistern, probiert Sextoys aus, seid offen und lasst euch aufeinander ein.
- dann macht kein Drama daraus, so wichtig ist ein gemeinsamer Höhepunkt nicht, wenn sonst alles stimmt.
- dann verändert euren Fokus und erklärt den gleichzeitigen Orgasmus nicht zum Nonplusultra.
Macht euch frei und habt einfach Spaß am Sex
Jede Person hat ganz eigene Erfahrungen und Bedürfnisse im Bett und eine individuelle Vorstellung, was zu gutem Sex gehört. Manchmal hilft es, diese Vorstellungen über Bord zu werfen oder wenigstens zu überprüfen, damit Mythen, Erwartungen und Fantasien nicht zu Abturnern werden, zu Druck und Stress führen, sondern uns und unserer Sexualität dienen.
Es fällt uns oft schwer, bei sich selbst zu bleiben. Wir schweifen zu den Erwartungen und Wünschen des oder der anderen ab, ohne zu wissen, was wir eigentlich wollen und was uns guttut. Doch wie soll unser Gegenüber wissen, was uns befriedigt, wenn wir es selbst nicht wissen?
Deshalb lohnt sich ein Blick in den imaginären Spiegel, ein Blick in uns hinein. Lausche deinen eigenen Bedürfnissen, das bringt dich auf die richtige Fährte, anstatt den Partner oder die Partnerin in die Verantwortung für die eigene Lust zu nehmen. Im besten Fall sind dann klarere Begegnungen möglich, die die Bedürfnisse beider in Einklang bringen. Sex ist eben doch ein Teamsport.
Franziska hat mit der Agentur Wortlust bereits etliche Projekte im Erotik-Bereich verwirklicht. Worte sind ihre Leidenschaft und als Texterin liebt sie es, mit ihnen Sehnsüchte und Leidenschaften zu wecken. Als erfahrene Texterin schreibt sie fernab von billiger Frivolität – ohne faden Beigeschmack – erotische Artikel mit Stil. Zur Spezialität der Agentur gehören Blogartikel und Social-Media-Content.