Vivien ist zertifizierte ganzheitliche Sexualberaterin und erfahrene Erotik-Texterin, die zahlreiche…
Du hast plötzlich Gefühle für eine Frau oder suchst nach der Antwort auf die Frage „Stehe ich auf Frauen?” Wenn du dich plötzlich zu einer Frau hingezogen fühlst oder sogar in eine Frau verliebt bist, obwohl du selbst weiblich bist, dann kann das ziemlich verwirrend sein. Wir verraten dir, wie du herausfindest, ob du lesbisch bist und wie sich Bisexualität äußert.
Plötzliche Gefühle für eine Frau?
Auf einmal bahnen sich Gefühle für eine Frau an, die du nicht richtig einordnen kannst. Die erste Verwirrung ist vollkommen normal, wenn du zum ersten Mal auf diese Art und Weise etwas für eine andere Frau empfindest. Damit du deine Emotionen und Gedanken besser einordnen kannst, solltest du zwischen sexueller Anziehung und reiner Bewunderung unterscheiden. Dazwischen gibt es nämlich einen signifikanten Unterschied!
Während sich deine Bewunderung auf ihre optischen Reize – wie ihre schöne Frisur oder ihre perfekt sitzende Jeans – bezieht, geht sexuelle Anziehung viel weiter. Dinge, die du bewunderst, würden dir auch an dir selbst gefallen, oder du freust dich ganz ohne „Hintergedanken“ für dein Gegenüber.
Bei sexueller Anziehung springt dein Kopfkino meist direkt an! Du stellst dir vor, wie ihr euch gegenseitig berührt und wie sich ihre nackte Haut anfühlt. Oder du verspürst sogar den Drang, sie zu küssen. Dein Bauch kribbelt und auch zwischen deinen Schenkeln passiert einiges …
Du weißt, was davon auf deine Gefühle zutrifft? Dann bist du der Antwort nach deiner möglichen „Queerness“ schon ein ganzes Stück nähergekommen!
Bisexuell oder lesbisch? Ein Coming-out vor dir selbst
Wenn die anfängliche Träumerei für Miss Right zu einer echten Verliebtheit geworden ist, kann das ein echtes Gefühlschaos mit sich bringen.
Womöglich stellst du plötzlich deine Sexualität und deine vorherigen Beziehungen mit Männern infrage. Oder du traust deinen aktuellen Gefühlen nicht über den Weg, weil du sie nicht einordnen kann. Vielleicht machst du dir auch Gedanken darüber, was deine Freund*innen und Familie davon halten und wie sie mit IHR umgehen würden. An den vermeintlichen Stempel „Frau liebt Frau” gewöhnst du dich aber, sobald du dich frei und angenommen fühlst.
Woran merkt man, dass man lesbisch ist?
Was bedeutet es, wenn du lesbisch bist? Die Definition ist denkbar einfach: Du fühlst dich als Frau oder mit Weiblichkeit identifizierender nicht-binärer Mensch sexuell und emotional ausschließlich zu Frauen hingezogen.
Nur die Ladys lassen dein Herz höherschlagen, Sex oder eine Beziehung mit anderen Geschlechtern kannst du dir nicht (mehr) vorstellen.
Bin ich bisexuell?
Und was bedeutet es, wenn du bisexuell bist? Bisexuelle Menschen fühlen sich zu zwei oder mehr Geschlechtern hingezogen. Bisexualität hängt leider (immer noch) das Klischee an, „nur eine Phase“ zu sein, in der du vermutlich einfach nicht weißt, was du willst. Die Übergänge zwischen Hetero-, Homo- und Bisexualität verschwimmen in der Realität und lassen viel Spielraum für deine EIGENE Definition.
Wandelbare Sexualität: sich selbst ausprobieren
Bevor du dich in einem Gedankenkarussell verlierst, entspann dich und drück dir selbst kein Label auf! Deine sexuelle Orientierung ist richtig, wie sie ist und bedarf keiner Definition von außen.
Sexualität ist wandelbar. Sie ist eine Reise, auf der du hetero- oder bisexuell oder auch lesbisch sein darfst und dich ausprobieren kannst. By the way: Es gibt wesentlich mehr sexuelle Orientierungen als die drei genannten!
So sammelst du erste bisexuelle oder lesbische Erfahrungen
Du bist dir ziemlich sicher, dass zwischen dir und deiner Angebeteten „mehr“ ist als Freundschaft oder Sympathie? Dann machst du dir sicher Gedanken über deine ersten Schritte und zerbrichst dir vielleicht den Kopf, wie du am besten vorgehst. Und was wird wohl in der „Welt der Lesben“ von dir erwartet?
Keine Panik! Du musst weder Aufnahmerituale über dich ergehen lassen noch dich einem knallharten Testlauf unterziehen. Ein Erfahrungsaustausch mit Gleichgesinnten wird dir dennoch guttun und du kannst von den Liebesgeschichten und Dating-Fails anderer lernen.
Am einfachsten sind direkte Kontakte auf queeren Partys und Feiern oder in Dating-Apps wie „HER“ oder „Zoe“, die sich auf lesbische oder bisexuelle Kontakte zwischen Frauen spezialisiert haben.
Wenn du nicht gleich in die Offensive gehen willst, kannst du queeren Influencerinnen in sozialen Netzwerken folgen oder queere Community-Magazine und Blogs lesen. Vielleicht hast du im Freundeskreis auch Mädels, die auf Mädels stehen und kommst mit ihnen ins Gespräch?
Wenn du schon etwas mutiger bist, kannst du sexpositive Veranstaltungen oder Workshops besuchen und so mit gleichgeschlechtlichen Partnerinnen in intimen Kontakt kommen. Oder du fühlst einfach mal, wie sich das Setting mit einer Frau für dich anfühlt.
Als Anfängerin mit anderen lesbischen Frauen flirten
Du hast gerade keine bestimmte Frau im Auge, sondern möchtest deine lesbische oder bisexuelle Seite erkunden und schauen, wohin sie dich treibt? In dem Fall solltest du zuerst eins wissen: „Woran erkenne ich, dass eine Frau auf Frauen steht?“ Für lesbische Frauen gibt es ebenso wenig eindeutige Erkennungsmerkmale wie für heterosexuelle. Auch die Sache mit dem Kleidungsstil ist eher ein Klischee und hat meist kaum etwas mit der sexuellen Orientierung zu tun. Wenn dir eine Frau gefällt, flirte sie einfach an!
Nimm Blickkontakt auf, schenk ihr ein Lächeln und sprich mit ihr. Fall aber nicht gleich mit der Tür ins Haus, sondern hör auf dein Bauchgefühl und taste dich langsam ran. Erwidert sie dein Flirten, dann frag sie nach einem Date! Du musst ihr nicht sofort gestehen, dass sie „deine Erste“ ist, sondern kannst den Punkt in ein Gespräch einfließen lassen.
Du hast Angst vor einer Zurückweisung? Das ist, wie bei jedem Hetero-Date, total normal. Du wirst allerdings überrascht sein, wie verständnisvoll dein Gegenüber sein wird, wenn du mit offenen Karten spielst! Authentizität ist nämlich ziemlich sexy und dein Date weiß, woran sie ist. Manchmal ergibt sich auch einfach eine innige Freundschaft – mit oder ohne Sex!
Gerade als „Newbie“ bist du über jede ehrliche und offene Verbindung dankbar. Mit einer vertrauten Person an deiner Seite kannst du die „neue Sexualität“ viel besser erkunden.
Sind wir nicht alle ein bisschen bi (oder lesbisch)?
Laut einer Studie der Universität in Essex mit 235 Teilnehmerinnen reagieren 82 Prozent der Frauen auf Nacktbilder von Frauen (und Männern) gleichermaßen mit sexueller Erregung. Sogar 74 Prozent der sich selbst als heterosexuell definierenden Probandinnen reagierten auf attraktive Frauen. Sind nicht irgendwie alle Frauen bi?
Nein, denn das Ergebnis bedeutet nicht, dass diese Frauen alle bisexuell sind! Viele experimentieren einfach gern oder sind neugierig und wollen ihren sexuellen Horizont erweitern. Experimentierfreude kannst du übrigens in jedem Alter empfinden und auch ausleben. Die verbreitete Annahme, dass ein Coming-out (oder was auch immer) schon in der Jugend erfolgen sollte, da sich da die vermeintliche Sexualität manifestiert, ist Unsinn!
Gerade Bisexualität (aber auch Lesbischsein) bekommt oft den „Die machen das, um Männer geil zu machen“-Stempel. Besonders in Mainstream-Pornos ist der Sex zwischen zwei Frauen oft nur Mittel zum Zweck, um das männliche Geschlecht aufzugeilen. Lesbensex gilt oft nur als Appetizer und Vorspiel VOR dem eigentlichen Hauptgang. (Körperliche) Liebe zwischen zwei Frauen ist gesellschaftlich vor allem dann akzeptiert, wenn sie der männlichen Lust dient oder wenn sie einen medialen Nutzen hat. Das führt oft dazu, dass sich bisexuelle Frauen lieber als pansexuell beschreiben.
Pansexualität ist zum einen weit weg vom gängigen Pornoklischee und beschränkt sich zum anderen nicht nur auf zwei Geschlechter und/oder Gender. Als pansexueller Mensch kannst du dich in alle Geschlechter und/oder Gender verlieben. Voraussetzung für die eigene Einordnung ist natürlich, dass du dir wirklich vorstellen kannst, dich in Menschen zu verlieben, die sich weder als Mann noch als Frau fühlen.
Sexualität ist eine Reise, die einem Wandel unterliegen darf und in der nichts in Stein gemeißelt ist. Nur, weil du deine Queerness (bis jetzt) nicht ausgelebt hast, bedeutet das nicht, dass sie nicht schon lange in dir schlummert. Du hast dich womöglich nicht getraut, sie anzunehmen und dich auszuprobieren. Oder du hast einfach nicht den richtigen (gleichgeschlechtlichen) Menschen getroffen, bei dem es gefunkt hat. Und wenn es dann doch passiert, kommen neben den Schmetterlingen im Bauch auch oft Ängste und Zweifel hoch.
Die Angst, plötzlich lesbisch oder bi zu sein …
… ist zwar meistens unbegründet, aber dennoch da. Und die solltest du auch erst einmal ernst nehmen. Besonders akut sind die Bedenken, wenn du in einer heterosexuellen Beziehung steckst. Wie kannst du es deinem Partner sagen? Wie wird er reagieren? Bedeutet deine Queerness das Ende eurer Partnerschaft? Vielleicht hast du Kinder und bist dir unsicher, wie sie damit umgehen würden?
Aber auch als Single sind Ängste normal, wenn du plötzlich Gefühle für eine Frau hast. Wie gehen deine Freunde mit dir um? Was wird deine Familie denken oder sagen? Was bedeutet ein Coming-out für deinen Job? Wirst du ab jetzt „nur“ noch Frauen daten und musst du dir sogar einen queeren Freundeskreis aufbauen?
Manchmal gehen die Ängste sogar so weit, dass du deine gesamte sexuelle Identität oder Existenz infrage stellst. Warst du schon immer lesbisch? Waren deine heterosexuellen Beziehungen nicht „echt“? Hast du dir selbst etwas vorgemacht und hättest du nicht schon als Teenagerin merken müssen, dass du auf Frauen stehst? Und überhaupt: Ist deine spät erkannte Queerness der Schlüssel zu all deinen zwischenmenschlichen Höhen und Tiefen?
Auch wenn Ängste und Bedenken dich erst einmal schützen wollen und du sie nicht unter den Teppich kehren solltest, sind sie in Bezug auf deine Bi- oder Homosexualität oft unbegründet! Das Zauberwort heißt: Reden! Geh innerhalb deiner Partnerschaft und in deinem Freundeskreis offen und ehrlich mit deinen Gefühlen um und gib deinem Gegenüber Zeit, die Informationen zu verarbeiten.
Erfahrungen mit späten Coming-outs
Verschiedene Erfahrungen von lesbischen oder bi-Frauen, die erst spät entdeckt haben, dass sie lesbisch oder bi sind, zeigen: Ein „Late Coming-out“ kann so befreiend sein!
Die 52-jährige Nina, die nach ihrer Hetero-Beziehung mit einer Frau zusammenlebt, beschreibt es so: „Ich war verliebt in ihn, aber da war immer eine Lücke. (…) Es ist viel erotischer und befriedigender als mit Männern, es ist einfach eine andere Ebene.“
Und bei Stefanie, die zwei Kinder hat und in einer heterosexuellen Partnerschaft lebte, ging es beim Outing um mehr als Sex: „Meine aktuellen Gefühle für die Frau, die mir unabsichtlich die Augen geöffnet hat, gaben mir sehr viel zu denken. Sie kamen einher mit einer sich fast unbemerkt einschleichenden Ehekrise. Es dauerte ein gutes Jahr mit vielen Zweifeln, bis ich mich zunächst meinem Mann gegenüber und kurze Zeit später bei ihr, meiner besten Freundin, öffnete. (…)“
Die Angst vor dem Bi- oder Lesbischsein kam bei Schauspielerin Cynthia Nixon gar nicht auf. Auf die Frage, ob sie lesbisch sei, weil sie mit einer Frau zusammen ist, antwortet sie: „Ich war mein ganzes Leben mit Männern zusammen und habe nicht im Traum daran gedacht, dass ich mich in eine Frau verlieben könnte. Als es dann aber passierte, war es gar nicht so seltsam für mich. Es hat mich nicht verändert, ich bin, wie ich bin: Ich bin eine Frau, die liebt.“
„Bin ich lesbisch?“ – Mach den Test!
Du fragst du jetzt: „Wie merke ich, dass ich lesbisch bin?“ Wenn du deinem Bauchgefühl (noch) nicht richtig traust und auf Nummer sicher gehen willst, dass du wirkliche queere Gefühle hast, hast du mindestens zwei Möglichkeiten: Du kannst dich online durch ein paar standardisierte Tests klicken, der Meinung von Freund*innen und Familie über deine sexuelle Orientierung Glauben schenken – oder du machst es dir bequem und stellst dir die Fragen, die Annie Kress in ihrem E-Book „Bin ich lesbisch?“ für dich hat.
Nimm dir Zeit und such dir ein ruhiges Plätzchen. Dann kannst du dir folgende Fragen stellen, die du auch zum besseren Visualisieren aufschreiben kannst:
- Was fühlst du, wenn du über Liebe nachdenkst?
- Bist du in jemanden verliebt? Kannst du es dir gerade nicht eingestehen?
- Welche Menschen findest du attraktiv und zu wem fühlst du dich momentan hingezogen?
- Wie fühlt es sich an, wenn du dir vorstellst, einen Mann zu küssen?
- Wie fühlt es sich an, wenn du dir vorstellst, eine Frau zu küssen?
- Welche Vorstellung löst Bauchkribbeln bei dir aus?
- Welchen Menschen schaust du auf der Straße hinterher?
- Wenn alles, wirklich alles, möglich wäre und du zaubern könntest, welche Erfahrungen, welche Menschen, welche Erlebnisse würdest du dann in dein Leben zaubern?
Versuche, die Fragen nicht logisch zu beantworten, sondern hör auf dein Herz! Jede Empfindung, die du hast, ist normal und okay. Vielleicht fühlst du dich mit den Antworten frei und bist voller Liebe. Oder du bist eventuell traurig und überfordert. Wenn du niemandem im Freundes- oder Familienkreis zum Reden hast, findest du Hilfe in deiner Nähe beim Verband für lesbische, schwule, bisexuelle, trans*, intersexuelle und queere Menschen in der Psychologie.
Fazit
Wenn du dich plötzlich zu einer Frau hingezogen fühlst oder richtig Schmetterlinge im Bauch hast, wenn du Miss Right siehst, solltest du das Gefühl einfach genießen! Es ist nämlich egal, wen wir lieben – solange wir es von ganzem Herzen tun und unser Gegenüber unsere Gefühle erwidert. Mach also den ersten Schritt, wenn du deine bisexuelle Freundin näher kennenlernen willst oder eine lesbische Frau in einer Bar attraktiv findest. Mut ist nämlich sexy!
Vivien ist zertifizierte ganzheitliche Sexualberaterin und erfahrene Erotik-Texterin, die zahlreiche Ratgeber- und Blogartikel geschrieben hat. Mit ihrer Expertise verfasst sie Texte rund um Liebe, Sex, Beziehungen, aber auch zu den neuesten Trends der Sex-Branche oder interviewt Experten und Erotik-Stars. Vivien ist außerdem Co-Host vom Sex-Podcast „Bedtime Talk“ (u.a. auf Spotify).